Sonntag, 15. Mai 2011

As queer as you wanna be???

So...seit einigen Jahren ist es nun schon soweit: Schwule gehören also offiziell dazu. Sie führen ein normales Leben, bekennen sich sogar in den Medien offen zu ihrer Sexualität und sind vor allem im urbanen Raum kaum aus dem öffentlichen Leben wegzudenken. Na endlich!

Es scheint sogar, als übe die exzessive, wilde Lebensweise, die der schwulen Subkultur nachgesagt wird, auf den heterosexuellen Mainstream einen besonderen Reiz aus - statt auf der Couch zu sitzen und leicht gekleidete Sexgöttinnen im Fernsehen zu beobachten wie die Heteros es tun, sticht eine Gruppe, die ihren Trieben tatsächlich freien Lauf lässt, positiv heraus. Bezeichnender "Zufall", dass ausgerechnet Pop-Ikone Lady Gaga ihre After-Show-Party in einem Berliner schwulen Sexclub feierte. Massenmedien lockern die alten Traditionen, sexuelle Abweichungen zumindest in der jungen Generation nicht länger als Abnormität. 
Die rigide Sexualmoral, die jahrzehntelang in der Gesellschaft den Ton angab, ist also verschwunden.

Ist das also das neue Homo-Paradies?


"NEIN", würde  zumindest  Judith Butler wahrscheinlich sagen, die wohl berüchtigste Philosophin unserer Zeit und als Lesbe selbst Sprachrohr für alle Arten von Minderheiten. Als sie im vergangenen Jahr am Christopher-Street-Day in Berlin den Preis für Zivilcourage ablehnte, hatte Butler durchaus ihre Gründe. 

Die neue Akzeptanz von Gays beschwört neue Probleme herauf: Gruppen, die früher alle zum Sammelbecken der "queers" (also alle Abweichler) gehört haben - etwa schwarze Lesben, Transsexuelle oder anderweitig sexuell Diskriminierte - sind nun die neuen Außenseiter. In Deutschland sind es vor allem die homosexuellen Migranten, die sich von den "normalen Schwulen" ausgeschlossen oder sogar angegriffen fühlen. 

Weißer Homonationalismus


Konkretes Beispiel Butlers war das schwule Anti-Gewalt-Projekt MANEO, dass bei seinen Angaben zu schwulenfeindlichen Angriffen immer wieder betont hatte, dass die Täter einen Migrationsgrund hätten. Durch die Gleichsetzung von Migranten und Schwulenfeindlichkeit entstehe ein Eindruck, dass alle Migranten keine Homos mögen - und das wiederum mache "Queers" mit Migrationshintergrund unsichtbar. Böse Zungen sprechen sogar von einem "weißen Homonationalismus". 

Auch wenn die Beschuldigten sich gegen die Vorwürfen wehren, der bittere Nachgeschmack bleibt. Was für eine Ironie, dass ausgerechnet die Gruppe, die jahrzehntelang als Minderheit diskriminiert wurde, nun selbst zu "den Bösen" gehört und andere Minderheiten ausschließt. 
 Aber naja, c'est la vie, n'est pas?Wo bleibt endlich die schöne neue Welt?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen