Freitag, 20. Mai 2011

Ein Big Bang für die Wissenschaft - Wie das Phänomen „Nerd“ unsere Gesellschaft verändert


Papierflieger gleiten durch die Luft, wo sonst die gesellschaftliche Elite intellektuelle Reden schwingt. Wenn einmal im Jahr an der Harvard University der Ig-Nobelpreis verliehen wird, verschwindet der Ernst des Alltags. 

Einige Tage vor der Verleihung der „echten“ Nobelpreise ehren die Preisträger die skurrilsten, ungewöhnlichsten oder unsinnigsten wissenschaftlichen Forschungsarbeiten mit einer Auszeichnung der etwas anderen Art – dem Ig-Nobel Preis. Ein Preis, den früher kaum einer der Gewinner auch nur abholte, hat mittlerweile einen hohen Stellenwert. „Erst bringt man die Leute zum Lachen, dann zum Nachdenken“, lautet das Bewertungskriterium der Jury. Diese setzt sich aus Mitgliedern der Harvard-University und der Redaktion des Magazins "annals of improbable research" - einem Magazin für "satirische Forschung" zusammen. Elena Bodnar, eine ukrainische Medizinerin aus Chicago hat das Motto vorbildlich umgesetzt und wurde 2009 in der Kategorie Gesundheitswesen mit dem Preis prämiert. Sie erfand einen Büstenhalter, der in Notsituationen zu zwei Atemschutzmasken umgebaut werden kann. Entstanden ist die – zugegebenermaßen etwas absurde Idee – aus einer persönlichen Erfahrung: Nach der Tschernobylkatastrophe 1986 behandelte die damals junge Medizinerin Kinder, die radioaktiven Staub eingeatmet hatten. Damals gab es kaum Atemschutzmasken, die Regierung war mit dem Schutz einzelner Menschen vollkommen überfordert. „Als Werbung für die Idee ist mir Humor lieber als eine zweite Tschernobyl-Katastrophe", erklärte Bodnar nach der Preisverleihung.

Sie ist nicht die Einzige, der ein persönliches Motiv zugrunde liegt: Um entgegen den Warnungen seiner Mutter zu beweisen, dass Fingerknacken nicht zu Arthrose führt, knackte der heute 83-jährige US-Forscher Donald Unger 60 Jahre lang täglich die Finger auf seiner linken Hand - die rechte ließ er in Ruhe. Ebenfalls 2009 wurde sein Einsatz mit dem Ig-Nobel Preis ausgezeichnet. Ähnlich bizarr, wenn auch auf andere Weise, ist die Entdeckung chinesischer Forscher darüber, dass Flughunde Oralsex haben – bei Tieren war diese „Liebesart“ bisher weitgehend unbekannt. Doch BHs, Fingerknacken und Flughunde sind nur einzelne Tropfen in einem Ozean von skurrilen Forschungsarbeiten, die seit 1991 mit dem Ig-Nobel Preis ausgezeichnet wurden. Eine Bereicherung für die Menschheit oder lediglich eine sinnlose Erkenntnis, die die Wenigsten interessiert? "Es gibt kein "unnützes" Wissen.



Nerds setzen Trends

Es gibt nur Dinge, welche uns derzeit "sinnvoll" und andere Dinge, welche uns derzeit "unsinnig" oder "unnütz" erscheinen mögen. Wie es morgen aussieht - das kann ich nicht beurteilen, aber Theorien oder Ergebnisse in der Hinterhand zu haben, mag für die Menschheit nicht von Nachteil sein", philosophierte ein Spiegel-Online Leser in seinem Kommentar über die Preisverleihung. Unrecht hat er nicht: Die Grenzen zwischen sinnvoll und wertlos, interessant und einfach nur verrückt verwischen zunehmend – und auch die gesellschaftliche Anerkennung von Wissenschaft, ob nun „echter“ oder solcher, die Menschen zum Lachen bringt. Wie sonst soll man sich erklären, dass heutzutage beinahe alle Ig-Nobelpreisträger ihren Preis stolz abholen und dieser sogar von den „richtigen“ Nobelpreisträgern überreicht wird? Ob mit sinnvollen Erfindungen oder skurrilen Erkenntnissen, Wissenschaft mutiert in letzter Zeit immer mehr zur Populärkultur. Es scheint, als sei das Phänomen „Nerd“ auf dem gesellschaftlichen Vormarsch. Was - und vor allem wer - noch vor 20 Jahren als vollkommen uncool galt und am Rande der Gesellschaft lebte, gilt jetzt als Hoffnung für die Zukunft. Der früher stark negativ konnotierte Begriff „Nerd“ ist längst nicht mehr das, was er einmal war. Zerstreute Genies und weltfremde Computerfreaks mit eckigen, schwarzen Brillen, die schon in der Schule kein Mädchen abbekommen haben, werden plötzlich unverzichtbar – man hat begriffen, dass sie es waren, die das Internet erfanden und auch sonst ziemlich viel Ahnung von den Vorgängen auf der Welt haben. Auch die amerikanischen Fernsehmacher gehen mit der Zeit: Mit „The Big Bang Theory“ haben sie eine ganze Sitcom über den nerdischen Kosmos von Wissenschaftlern auf den Markt gebracht, die in den USA zum Riesenerfolg wurde. Dabei strotzt die Comedy-Serie nur von eigentlich vollkommen abgedroschenen Wissenschaftsklischees – und feiert gleichzeitig nerdisches Verhalten.

„It's like discovery channel with beer“

Dass heute so etwas möglich ist und sogar zu Kommerz geworden ist, ist vor allem eine Sache der Zeit: „Früher gab es eine starke Spaltung zwischen den „Coolen“ und denen, die sich über Dinge informierten. Jetzt sieht man, dass man mit „nerdigem“ Verhalten auch der reichste Mann der Welt werden kann. Das steht nicht mehr in Widerspruch zueinander, die Zeiten haben sich geändert“, erklärt Patrick Gruban, Webentwickler und selbsterklärter Nerd. Monatlich organisiert der „Internet-Junkie und Subkultur-Fan“ aus München die Nerdnite – In entspannter Kneipenatmosphäre treffen dort Menschen aufeinander „meistens ein bunter Mix aus hippen Leuten und Menschen mit klassischen Nerd-Attributen“, und lauschen 15 Minuten lang einem Expertenvortrag zu einem abseitigen Thema, danach wird diskutiert. Es geht um Kaffeebrauen, Juckreiz oder Quantenphysik, das Themenspektrum der Referenten ist unerschöpflich. „It’s like discovery channel with beer“, erklärt Gruban das Prinzip. Entstanden ist die Idee in den USA, von dort hat auch Gruban sie mitgebracht. „Diese Kombination aus Kneipe und etwas lernen hat mir gefallen, ich fand das skurril und faszinierend“. Und auch beim Münchner Szenepublikum ist die Nerdnite zum Trend geworden, nachdem sich die Nachricht von der Veranstaltung wie ein Lauffeuer durch soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter verbreitet hatte. Mittlerweile sind es um die 300 Münchner, die sich zu jeder Nerdnite einfinden, sie ist zu einem Ort geworden, an dem Blondinen mit Stöckelschuhen auf scheinbar weltfremde  Informatiker treffen. „Jeder von uns ist doch irgendwie ein Nerd.  Ich versuche hier möglichst viel aufzuschnappen und irgendwann damit anzugeben“, lacht ein Besucher.

Ob Wissen auch schon vor 20 Jahren so „in“ war? „Nein“ lautet Patrick Grubans Diagnose: „Expertentum hat eindeutig einen Aufschwung erfahren. Heutzutage studieren viel mehr Leute, man spezialisiert sich mehr und kommt zum Beispiel durch Wikipedia viel einfacher an Wissenschaft heran“, erklärt der Nerdnite-Vater. Stattdessen werde die allgemeine Unterhaltung weniger wichtig, Szene bekomme einen höheren Stellenwert. Früher hätten Millionen von Leuten das gleiche Fernsehprogramm geguckt, mittlerweile habe jeder seine „Nische“, und auch die Wissenschaftler ihre eigenen –  bisweilen solche, die Menschen zum Lachen bringen, später vielleicht zum Nachdenken. Büstenhalter, die zu Atemmasken werden, sind sicher eine solche Nische. Die Erfinder von Ig-Nobel und der Nerdnite haben jedenfalls eines gemeinsam: Sie haben erkannt, dass Wissenschaft nicht nur Forscher in ihrem eigenen, dunklen Kämmerchen fasziniert, sondern auch die breite Masse unterhalten kann.  

The Sheldon Rap 
 http://www.youtube.com/user/thebigbangtheory?blend=1&ob=5








Sonntag, 15. Mai 2011

As queer as you wanna be???

So...seit einigen Jahren ist es nun schon soweit: Schwule gehören also offiziell dazu. Sie führen ein normales Leben, bekennen sich sogar in den Medien offen zu ihrer Sexualität und sind vor allem im urbanen Raum kaum aus dem öffentlichen Leben wegzudenken. Na endlich!

Es scheint sogar, als übe die exzessive, wilde Lebensweise, die der schwulen Subkultur nachgesagt wird, auf den heterosexuellen Mainstream einen besonderen Reiz aus - statt auf der Couch zu sitzen und leicht gekleidete Sexgöttinnen im Fernsehen zu beobachten wie die Heteros es tun, sticht eine Gruppe, die ihren Trieben tatsächlich freien Lauf lässt, positiv heraus. Bezeichnender "Zufall", dass ausgerechnet Pop-Ikone Lady Gaga ihre After-Show-Party in einem Berliner schwulen Sexclub feierte. Massenmedien lockern die alten Traditionen, sexuelle Abweichungen zumindest in der jungen Generation nicht länger als Abnormität. 
Die rigide Sexualmoral, die jahrzehntelang in der Gesellschaft den Ton angab, ist also verschwunden.

Ist das also das neue Homo-Paradies?


"NEIN", würde  zumindest  Judith Butler wahrscheinlich sagen, die wohl berüchtigste Philosophin unserer Zeit und als Lesbe selbst Sprachrohr für alle Arten von Minderheiten. Als sie im vergangenen Jahr am Christopher-Street-Day in Berlin den Preis für Zivilcourage ablehnte, hatte Butler durchaus ihre Gründe. 

Die neue Akzeptanz von Gays beschwört neue Probleme herauf: Gruppen, die früher alle zum Sammelbecken der "queers" (also alle Abweichler) gehört haben - etwa schwarze Lesben, Transsexuelle oder anderweitig sexuell Diskriminierte - sind nun die neuen Außenseiter. In Deutschland sind es vor allem die homosexuellen Migranten, die sich von den "normalen Schwulen" ausgeschlossen oder sogar angegriffen fühlen. 

Weißer Homonationalismus


Konkretes Beispiel Butlers war das schwule Anti-Gewalt-Projekt MANEO, dass bei seinen Angaben zu schwulenfeindlichen Angriffen immer wieder betont hatte, dass die Täter einen Migrationsgrund hätten. Durch die Gleichsetzung von Migranten und Schwulenfeindlichkeit entstehe ein Eindruck, dass alle Migranten keine Homos mögen - und das wiederum mache "Queers" mit Migrationshintergrund unsichtbar. Böse Zungen sprechen sogar von einem "weißen Homonationalismus". 

Auch wenn die Beschuldigten sich gegen die Vorwürfen wehren, der bittere Nachgeschmack bleibt. Was für eine Ironie, dass ausgerechnet die Gruppe, die jahrzehntelang als Minderheit diskriminiert wurde, nun selbst zu "den Bösen" gehört und andere Minderheiten ausschließt. 
 Aber naja, c'est la vie, n'est pas?Wo bleibt endlich die schöne neue Welt?

Samstag, 14. Mai 2011

„Ich hab geweint wie ein Baby“

Wenn Anatolij Sawitschew über Bayern spricht, lächelt er. Überhaupt liebe er Deutschland, erzählt er, und am meisten gefalle ihm Bayern. Hier habe er mittlerweile viele Freunde, wenn er nach Deutschland kommt, gibt es gibt ein großes Wiedersehen. Im Frühjahr 2011 ist er zum vierten Mal in da. Hier verbringt er Zeit in der Natur, geht ins Museum, kauft Kleidung ein. Im Sommer wird Sawitschew 84 Jahre alt.
Als ihn 1942 in seinem ukrainischen Heimatort deutsche Soldaten von der Straße aufgriffen und er zur Zwangsarbeit nach Pullach gebracht wurde, war er gerade mal 15. Auf Pullach folgte die Gefangenschaft im Konzentrationslager Dachau, später kam Mauthausen in Österreich. In den Lagern wurde der damals Jugendliche misshandelt, gedemütigt, bis an die Grenzen seiner Kraft getrieben. Aber einen Groll gegen die Deutschen? Den hat er schon längst nicht mehr.
Sawitschew ist einer der Überlebenden des KZ Dachau, die in diesem Jahr aus der ehemaligen Sowjetunion zu den Befreiungsfeierlichkeiten nach Deutschland gekommen sind. Seit 1992 werden jährlich ehemalige KZ-Häftlinge vom Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau e. V. eingeladen. Sie werden im Jugendgästehaus untergebracht, geboten wird ihnen ein vielfältiges Unternehmungsprogramm. Dieses Jahr sind acht gekommen – sechs aus der Ukraine, jeweils einer aus Weißrussland und Russland. Ihr Alter liegt zwischen 83 und 88 Jahren, bei bester Gesundheit sind die Männer nicht. Und doch finden jedes Jahr einige von ihnen wieder und wieder die Kraft, die Reise anzutreten. In dasselbe Deutschland, das ihnen ihre besten Jugendjahre weggenommen hat, ihr ganzes Leben geprägt hat. Dasselbe? „Ich erlebe jetzt ein anderes Deutschland. Ich finde Angela Merkel toll. Ich weiß, hier wird sie viel kritisiert, aber ich verstehe nicht, warum – in diesem Land herrscht Demokratie, das ist Hauptsache“, erzählt der Ukrainer Musij Galajko. Trotz seiner traumatischen Erlebnisse in den Konzentrationslagern studierte Galaijko nach dem Krieg Fremdsprachen und arbeitete 40 Jahre lang als Deutschlehrer.
„Papa kann nicht schlafen. Er war doch in Dachau.“
Als Außenstehender fällt es einem schwer, die Offenherzigkeit und Versöhnlichkeit der alten Männer nachzuvollziehen. Ist es die Zeit, die die Wunden geheilt hat? Das Alter? Die Begegnungen mit den „neuen“ Deutschen, die die Vergangenheit zur Geschichte werden lassen? Vergessen hat jedenfalls keiner von ihnen, verdrängen könne man solche Erlebnisse nicht, diese Meinung teilen wohl alle Überlebenden. Als er vor einigen Jahren zum ersten Mal nach Kriegsende nach Mauthausen gekommen sei, habe er geweint wie ein Baby, berichtet Sawitschew. Galajko konnte jahrzehntelang nachts nicht schlafen, seine Erlebnisse haben ihn verfolgt. „Das war als Kind meine erste Begegnung mit dem Begriff ‚Dachau’“, erzählt Galajkos Sohn, der 2007 zusammen mit seinem Vater zum ersten Mal nach Dachau kam. „Immer wenn ich nachts aufgewacht bin und die schweren Schritte meines Vaters in der Wohnung hörte, sagte meine Mutter: Papa kann nicht schlafen. Er war doch in Dachau.“
Doch in der Sowjetunion interessierte sich lange Zeit kaum jemand für die Schrecken, die ehemaligen KZ-Häftlingen widerfahren waren. Bis zum Zerfall des kommunistischen Regimes galten sie als Kollaborateure der Deutschen, als Verräter des Vaterlandes. Obwohl Männer wie Sawitschew und Galajko heutzutage offiziell als „Opfer“ anerkannt sind, ist die Vergangenheitsbewältigung in ihrer Heimat ein zäher Prozess. Gerade deshalb ist die intensive Vergangenheitsbewältigung in Deutschland für die Überlebenden etwas Besonderes – im positiven Sinne. „Als die ersten Ex-Häftlinge hierher kamen, haben sie nicht verstanden, wieso wir ihnen so viele Fragen zu ihrer Vergangenheit stellen – sie empfanden diese Fragerei als Verhör, so wie sie es früher von der Gestapo kannten. Erst mit der Zeit haben sie verstanden, dass sich die Menschen hier tatsächlich dafür interessieren, was ihnen hier widerfahren ist“, erzählt Nicole Schneider vom Förderverein in Dachau.
Hinzu kommt, dass die Überlebenden die deutsche Bevölkerung zur NS-Zeit in einer fast naiven Weise rechtfertigen: Immer wieder werden Stimmen laut „die Menschen konnten doch nichts dafür, das war doch alles Hitler“ – so viel Nachsicht haben weder Historiker noch die deutsche Bevölkerung mit sich selbst.
Die Frage ist: Was bedeuten diese versöhnlichen Gesten der alten Männer für uns, „die Deutschen?“ Können wir uns nun beruhigt auf die Schulter klopfen und sagen: „Na also, sogar die Opfer haben verziehen. Genug mit diesem exzessivenVergangenheitsbewältigung-Trend!“ Oder ist es vielmehr ein Zeichen, dass eben dieser exzessive Trend der einzige Weg ist, Frieden mit der Vergangenheit zu schließen? Wenn Musij Galajko heute in Dachau ist, plagen ihn keine Alpträume mehr, er schläft tief und fest. Jedes Jahr freut er sich über eine Einladung von seinen deutschen Freunden – Menschen, die darum kämpfen, Erinnerung am Leben zu halten.

Freitag, 13. Mai 2011

Trash TV- Der soziale Porno lebt!

Wenn ich gelegentlich nachmittags durchs Fernsehprogramm zappe, schaudert es mich jedes Mal: Die Message, die Rtl & Co an seine Zuschauer sendet, könnte deutlicher kaum sein: Deutschland steht vor dem Abgrund. Eine heruntergekommene Gesellschaft mit einem Anteil von 90  % Hartz IV-Empfängern. Alkohol und Gewaltexzesse gehören zum Alltag, die Kinder haben mit 11 Jahren Sex und kommen schon mit Übergewicht auf die Welt.
Nur: Wieso muss ich erst den Fernseher anmachen, um davon zu erfahren? Wieso merke ich in meinem Alltag nichts davon? Weil der Fernseher Lügen erzählt.
Dasjenige Medium, das seinem Zuschauer eigentlich dabei helfen sollte „in die Ferne zu sehen“ und den eigenen Horizont zu erweitern, vernachlässigt diese Aufgabe in den letzten Jahren zunehmend. Stattdessen ist das oberste Gebot: Hohe Umsätze, niedrige Produktionskosten.
Der momentane Trend ist sogenanntes „Scripted Reality“, gefakte Reality-Dokus, die dem Zuschauer angebliche Realität vorgaukeln und in einem „realistischen“ Umfeld spielen. Einige Beispiele für solche pseudorealistischen Dokus sind „Familien im Brennpunkt“, „Mitten im Leben“  – Höhepunkt des Trash-TV ist die RTL II Sendung „X-Diaries“.
Die Tragik der Geschichte: Das Konzept kommt an. Nach dem Talkshow-Overkill in den 90er Jahren und zumindest 100 gefühlten Gerichtssendungen zwischendurch sind nun also Pseudo-Dokus an der Reihe. Warum, frage ich mich und forsche nach: Im Fachjargon spricht man bei diesem Phänomen von „Affektfernsehen“. Dabei wird die menschliche Sensationsgier durch immer stärkere Tabubrüche befriedigt – und die persönliche Schamgrenze des Zuschauers durch die verzerrte Darstellung herabgesetzt. Das, was man im Fernsehen zu sehen bekommt, gilt schließlich als soziale Norm, der Zuschauer kann sich mit dem Protagonisten identifizieren.
Was bleibt zu sagen? Deutschland schafft sich ab!:)TRASH TV

Der „Ich-liebe-Dich!“-Code

Wenn auf der Kinoleinwand Bella ihrem geliebten Vampir „Edward, ich liebe Dich mehr als alles andere in der Welt zusammen“ zuraunt, stehen romantisch veranlagten Twilight-Fans die Tränen in den Augen.
Ein paar Generationen zuvor war es noch Scarlett, die in „Vom Winde verweht“ mit pathetischen Sätzen wie „Ich weiß nur, dass ich dich liebe“ Millionen Menschen schmachten ließ. So geht das schon, solange wir zurückdenken können. Die Liebe ist einfach überall, in Songs, Filmen, auf Werbeplakaten und auch in unserem Alltag. Es ist eine Inflation, wie Geld sie nie erlebt hat!
Eigentlich sollte uns die Sache mit der Gefühlsduselei schon längst langweilen – doch sie tut es nicht. Dabei ist die Liebe nicht einmal ein Gefühl. Zumindest sagen das die Wissenschaftler, die als unromantisch gelten – die Soziologen: „Liebe ist ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium.“
Oder anders herum gefragt: Woher wissen pubertierende Mädchen, dass sie sich gerade zum ersten Mal verlieben? Warum ist es so selbstverständlich, dass sie ihre Schmetterlinge im Bauch als Liebe zu interpretieren wissen? Jedenfalls nicht, indem sie ihre Gefühle von selbst richtig deuten. Sie wissen es, weil es ihnen schon viel früher kommuniziert wurde: Von der Bravo, von ihren Freundinnen, aus Filmen wie Twilight.
Genau aus diesen Quellen wissen die jungen Menschen auch, dass es etwas Positives ist, sich zu verlieben, dass sie das Gefühl unbedingt bejahen sollten. „Setzt nicht die Liebe auf den ersten Blick voraus, dass man auch schon vor dem ersten Blick verliebt war?“, fragte sich der prominente Soziologe Niklas Luhmann.